Letzte Aktualisierung: 24. August 2023

Neue Regeln für Windkraftanlagen in Bayern

Der künftige Mindestabstand zwischen WKA und Wohnhäusern muss das Zehnfache der Gesamthöhe der Anlage betragen.

Spiegel Online8. April 2014Deutschland

Energiewende: Bayern bremst Bau von Windrädern

Von Björn Hengst und Stefan Schultz

Zuletzt versprach er den Gegnern einer umstrittenen Stromtrasse Hilfe, jetzt können sich Windkraftskeptiker bei Horst Seehofer bedanken. Das bayerische Kabinett billigte einen Gesetzentwurf, der den Bau von Windrädern im Freistaat erschweren soll.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer: Regeln für Windräder
Bayerns Ministerpräsident Seehofer: Regeln für WindräderDPA

München/Hamburg - Von großen Windrädern hält Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nicht sonderlich viel, auch wenn er stets betont, voll und ganz hinter der Energiewende zu stehen. Eine "ausufernde 'Verspargelung' der Landschaft" zerstöre zunehmend "ihren Reiz und ihren Zauber", hat die bayerische Landesregierung zuletzt erklärt. Jetzt lässt sie Taten folgen: Die Landesregierung will möglichst schnell den Bau von Windrädern im Freistaat erschweren.

In Berlin tagte am Dienstag die Regierung, beschloss die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und sorgte mit großzügigen Privilegien für die Industrie für Empörung. In München segnete das bayerische Kabinett wenig später einen eigenen Gesetzentwurf zur Energiepolitik ab. Demnach muss in Bayern der künftige Mindestabstand zwischen Windkraftanlagen zu Wohnhäusern das Zehnfache der Gesamthöhe der Anlage betragen.

Moderne Windkraftanlagen seien inzwischen deutlich höher als noch vor einigen Jahren, heißt es in dem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung, der SPIEGEL ONLINE vorliegt. Sie erreichten bis zu rund 200 Meter. "Die Gesamthöhe einer Anlage ist aber - insbesondere im Hinblick auf die als bedrängend empfundene Wirkung - von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz" in der Bevölkerung.

Nach Angaben des bayerischen Verbands für Windenergie wären durch die Regelung im Freistaat fast gar keine Flächen mehr für neue Windräder verfügbar.

Massiver Widerstand gegen den Bau neuer Windräder

Die Regelungen orientieren sich an der sogenannten Länderöffnungsklausel, einem Zusatzgesetz für das EEG, dessen Entwurf SPIEGEL ONLINE ebenfalls vorliegt. Die Länderöffnungsklausel erlaubt es jedem Bundesland, eigene Regelungen für die Abstände von Windrädern zu Wohngebieten festzulegen. Es ist kein Zufall, dass das Bundesland Bayern noch am Tag, an dem das EEG im Bundeskabinett verabschiedet wurde, von dieser Klausel Gebrauch macht. Sie war vor allem auf Seehofers Wunsch in das Bundesgesetz aufgenommen worden.

Die bayerische Regierung reagiert damit auf den massiven Widerstand in mehreren Gemeinden gegen den Bau neuer Windräder. Die Energiewende werde "nur gelingen, wenn sie gemeinsam mit Bürgern und Wirtschaft gestaltet wird", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Eine "klare Abstandsregelung zur Wohnbebauung" könne "befriedend wirken".

Die bayerische Opposition kritisierte den Vorstoß der Landesregierung. "Der Ministerpräsident zerlegt Stück für Stück alle Bestandteile der Energiewende", erklärte die SPD-Landtagsfraktion. "Die Windkraft in Bayern steht vor dem Aus", so die Freien Wähler. Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell sammelt gerade Geld für eine Klage gegen Seehofers Gesetz.

Seehofer ist mit seinem Gesetz fein heraus

Experten sehen durch Seehofers Wind-Gesetz die bayerischen Energiewende-Ziele gefährdet. Der Freistaat will seinen Anteil an erneuerbaren Energien bis 2020 von derzeit 30 auf dann 40 Prozent ausbauen. Das ist aber nach Einschätzung von Experten nur möglich, wenn die Anzahl der Windräder sich bis dahin verdoppelt. Derzeit drehen sich im Freistaat etwa 650 Rotoren.

Seehofer ist mit seinem Gesetz allerdings fein heraus. Denn der Entwurf sieht Ausnahmen vor: Anlagen, für die bis zum 4. Februar 2014 ein vollständiger Antrag gestellt wurde, sollen nicht unter die neue Regelung fallen. Auch Altanlagen sollen Bestandsschutz genießen. Außerdem sollen Gemeinden "bei Bestehen eines örtlichen Konsenses" geringere Abstände festlegen können. Sprich: Wenn die beteiligten Kommunen sich einig sind, können sie im Prinzip machen, was sie wollen. Die bayerische Energiewende könnte damit noch immer gelingen. Und wenn sie es nicht tut, liegt der Schwarze Peter nicht mehr bei Seehofer - sondern bei den Gemeinden.

Zuletzt hatte sich Seehofer auch auf die Seite von Gegnern der umstrittenen Stromtrasse gestellt, die von Sachsen-Anhalt nach Bayern verlaufen soll. "Ich persönlich und die bayerische Staatsregierung halten die Stromtrasse nicht für notwendig", hatte Seehofer im oberbayerischen Neuburg unter dem Applaus von Aktivisten gesagt. Die Stromtrasse gehört zu einem Paket von insgesamt 36 Leitungen, die im Bundesbedarfsplangesetz aufgeführt sind. Bundestag und Bundesrat hatten im vergangenen Jahr mit Zustimmung Bayerns für das Gesetz votiert.